Nacht von Dolch

LP Nacht von Dolch, Frontcover

“I cannot see you
You clearly
Cannot see me”

Ein Arte Concert Video vom Hellfest, mit der Berliner Band Dolch. Klingt nach Black/Dark Metal und Darkwave. Und wird der Band nicht wirklich gerecht. Es sollen Emotionen transportiert werden, die Musik ist das Vehikel. Dolch erfindet nichts neues, ist auch nicht der Anspruch. Der Anspruch ist etwas musikalisch auszudrücken, und das gelingt stimmungsvoll. Das Album Nacht klingt eher nach Electronic Ambient Dark Wave. Mit Sprenkeln von Doom und Postpunk. Das alles ist reduzierter und bringt die Stimmung  auf den Punkt. Die ätherische Stimme der Sängerin passt unglaublich gut. Die Musik steh für die Band, nicht die Namen. M – Gesang, T – Gesang und Gitarre, N Bass, P – Drums, A – Gitarre. Über die Band gibt es nur rudimentäre Informationen. Finde ich das gut? Nö. Muss es auch nicht. Die Musik ist dafür einfach richtig gut. Das Album Nacht ist der zweite Teil einer Trilogie. “Feuer”, “Nacht” und “Tod”. Letzteres ist noch nicht erschienen.

LP Nacht von Dolch, LP A

Ich fange mal mit dem an, was mir negativ aufgefallen ist. Es ist nicht das erste mal, dass neue LPs viele knackende und ploppende Geräusche, besonders in leiseren Passagen, machen. Das ist umso ärgerlicher, wenn ein Album wie Nacht viele leise Passagen hat. Dabei wurde sich sehr viel Mühe gegeben, makellose Oberfläche, 180 Gr, kein eiern der Platte, welche satt aufliegt. Das habe ich von wesentlich größeren Labeln schon viel schlechter gesehen, das ist hier perfekt. Die Platte selbst ist komplett mit schwarzer Pappe umhüllt, vorne ist ein Mond mit Sternen eingestanzt.

LP Nacht von Dolch

Die Platte selbst ist eine Gatefold, innen befindet sich das Booklet und rechts ist die LP drin. Das alles liebe ich an Vinyls. Ich habe die Platte mit einem Plttenreiniger gereinigt, besser wurde es nicht.

LP Album Nacht von Dolch, Titel aller Songs

Definitiv ist die Musik, wenn auch Geschmacksache, sehr gut. Mich hat die Platte sofort eingefangen. Ich mag Stimmung. Stimmung ist das falsche Wort. Ambiente trifft es besser. Und die finde ich eher in dunkler Musik. Laut Band kann die Platte als eine städtische Reise durch die Nacht verstanden werden oder eine Reise des Geistes durch die Nacht, zwischen Euphorie und Depression, Licht und Dunkelheit. Ohne dieses Statement vorher gekannt zu haben, hatte ich beim ersten hören das Gefühl, durch mehrere Clubs zu ziehen.

LP Nacht von Dolch, Backcover

Die ersten drei Songs geben die Richtung vor und ich halte diese Passage für ein Highlight. “Lights Out”, “Open” und “Tonight”. Die Stimme von M passt wie Faust aufs Auge. Sofort wurde ich in die Musik reingezogen. Das schaffen bei mir ganz wenige Platten von Künstlern, die ich bis Dato nicht kannte. “Lights out” beginnt sehr ruhig, mit dunklem Sound, gesprochenen Text (“Take Control, Seeker of the Night”) und übelappenden Gesang (“I can not see you, you clearly can not see me”). Hier herrscht Drone. Nach 01:36 Minuten geht es über in den Song “Open”. Es ist der Gesang, verzerrte Gitarre, mehr Rhythmus und dunkle Keyboards mit langsamen Schlagzeug, die eine fast hypnotische Wirkung auf mich haben. Stimme und Rhythmus bilden eine Einheit, etwas zu ätherisch und schwerer zu verstehen. Und gerade der Text beschreibt den Zustand unserer Gesellschaft ziemlich gut. Für mich der stärkste Song auf dem Album. “Tonight” geht ätherisch weiter, klingt fast schon fröhlich. Der Text ist minimalistisch und doch voller starker Emotion. Neon-Licht, Nachtclub, Vibes von Attraktivität. Und fast genauso könnte hier Gevatter Tod anklopfen. Meine Interpretation und ich liebe dieses Lied. Ich könnte jetzt weiter jeden Song in hohen Tönen loben, das tue ich euch jetzt nicht an. Alleine schon”Mercury” und “Into the Night” sind in ihrer Aufmachung genial. Mehr im Fazit.

LP Nacht von Dolch, Credits

Fazit: Würde ich Punkte vergeben, was ich nicht tue, liegt Nacht von Dolch oberhalb des Maximums. Ich finde es albern Nacht 10 Punkte zu geben und Darkside of The Moon auch 10. Es wird beiden Alben nicht gerecht.
Ganz sicher bin ich emotional schwer beeindruckt von dieser Platte, den zwischen seidiger Zerbrechlichkeit und mentaler Stärke schwingenden Gesang hebe ich besonders vor und er hat es mir einfach angetan. Die Musik tut ihr übriges, Drone, Darkwave, Industrial, Electronic, Doom, Postpunk und Ambient. Prog-Herz, auch wenn es kein Prog ist, was willst du mehr? Jeder Song, auch die mit sperrigem Titel wie House of Glass (Hydroxytryptamin Baby Part III) hat seine Stärken. Der Sound ist abgespeckt, zelebriert wird manches mal eine gewisse Monotonie, die nicht langweilig ist. Die Kunst ist es, das alles perfekt passend darzubieten. “Lieder” wie “Nacht” mit 19 Sekunden gesprochenen deutschen Text, hier geht das und es passt zum Thema. Der Gesang auf Nacht wird getragen von M, manchmal durch T. unterstützend, welches die Emotionalität noch erhöht. “I am Ok” und “Bird of Prey” sind Beispiele dafür, das T. es auch kann. Ein rundum gelungenes Album. Es würde jeden Tag auf dem Teller liegen, wäre die Vinyl nicht so voller knacksender Geräusche.
Nacht wurde 2022 veröffentlicht.
Das Album Feuer werde ich demnächst als CD und Vinyl besprechen.

Die Fotos stammen alle von meiner LP. Die Rechte aller Motive, Logos, Texte und Schriften, die auf den Fotos zu sehen sind, liegen natürlich beim Rechteinhaber.